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Informationsveranstaltung vom 22. Juni 2023
 
Die Veranstaltung wurde live im Internet übertragen.

Den Mitschnitt der Infoveranstaltung finden Sie hier.
 


Faire Diskussion bei der Bürgerinformation zum Bürgerentscheid

Bei der Informationsveranstaltung zum klimaneutralen Gewerbegebiet Schraienwiesen am 22. Juni tauschten sich Befürworter und Gegner sachlich aus. Rund 160 Personen waren vor Ort anwesend, weitere  hundert per Internet-Livestream.
In der Auerbachhalle ging es heiß her, das lag aber eher an den sehr hohen Temperaturen als an der Stimmung im Raum. Moderator Rüdiger Straub (Agentur Straub & Straub) führte routiniert durch den Abend, an dem Bürgermeisterin Martina Fehrlen, Bärbel Baumgärtner und Rudolf Wrobel von der Bürgerinitiative, Karl Dungs von der Wirtschaftsinitiative sowie als Fachexperten Susanne Thomas von der IG Metall Ludwigsburg/Waiblingen und Thomas Kiwitt vom Ver­band Re­gi­on Stutt­gart sachlich und fokussiert miteinander diskutierten. Die Bürgerschaft konnte über die Saalmikrofone und Fragen stellen, was rege genutzt wurde.

Bürgermeisterin: Klimaneutrales Gewerbegebiet für Urbachs Zukunft
Bürgermeisterin Martina Fehrlen betonte in ihrem Redebeitrag, dass der Naherholungswert der Schraienwiesen mit rund 40 000 Fahrzeugen pro Tag, also alle zwei Sekunden ein Auto oder Laster, gering wäre und auch die Biodiversität im Vergleich zum Bärenbachtal nicht stark ausgeprägt sei. 35 Prozent des Realsteueraufkommens werden durch die Gewerbesteuer erzielt. Über die Gewerbesteuern könnte neben anderen Leistungen ein Beitrag zur Klimaneutralität von Urbach geleistet werden, indem z.B. die Liegenschaften der Gemeinde mit Photovoltaik und Wärmepumpen ausgestattet werden. Sie wolle die Kinder nicht mit einem hohen Schuldenberg belasten, sondern stattdessen ein klimaneutrales Gewerbegebiet als innovatives Zukunftsprojekt für Urbach entwickeln. „Setzen wir beim Klimawandel auf die Rückkehr in das vorindustrielle Zeitalter oder glauben wir an unsere fähigen Ingenieure?“, fragte sie. Ohne das Gewerbegebiet würde sich Urbach einer riesigen Chance auf Perspektive und Entwicklung berauben. Zum Dialog lud sie expliziert auch die Bürgerinitiative ein: „Ich reiche Ihnen die Hand zur gemeinsamen Weiterentwicklung von Urbach“, so Fehrlen.

Bürgerinitiative: Zukunft nicht verbauen - Schraienwiesen erhalten
Bärbel Baumgärtner von der Bürgerinitiative Schraienwiesen hingegen sprach von „wertvollen Wiesen“ und mahnte andere Lösungen an. „Der Boden dient auch als Wasserspeicher und verringert die Hochwassergefahr.“ Die Fläche diene auch zur „Erholung und Entspannung“. Auch wurde in Frage gestellt, dass Gewerbegebiete so viel Gewerbesteuer bringen, dass sie wirklich einen Mehrwert für die Gemeinde brächten. Zum Thema Arbeitsplätze vor Ort ist sie der Meinung, dass „bei den Kriterien, nach denen sich Menschen ihren Arbeitsplatz aussuchen, die Wohnortnähe eine eher nachrangige Rolle spielt“. Daneben sagte Baumgärtner: „Wir sind nicht gegen die Industrie und das Gewerbe und auch nicht grundsätzlich gegen das Bauen.“ Sie sieht „die Chance, in Zukunft Ökonomie und Ökologie viel mehr in einem Gleichklang zu denken und nicht gegeneinander auszuspielen, wie wir das jahrzehntelang gemacht haben“. Die Bürgerinitiative wolle den allgemeinen Flächenverbrauch reduzieren und stellte in den Raum, dass ansonsten „bald keine Artenvielfalt mehr“ existieren würde mit „fatalen Folgen für das menschliche Dasein“.

Dungs: Zukunftstechnologien schaffen und sichern Arbeitsplätze vor Ort
Karl Dungs stellte seine Firma und die Vorstellungen für die Weiterentwicklung auf den Schraienwiesen vor. Die Karl Dungs GmbH ist ein Familienunternehmen in der dritten Generation und fertigt Sys­tem­lö­sun­gen für die Heiz­wär­me- und Pro­zess­wär­me-In­dus­trie, Gas­mo­to­ren so­wie für die Wasserstoff-Technologie. In Zukunft stehen große Transformationsprozesse an und diese benötigen mehr Platz. Er wolle - auch als Bürger von Urbach - die Firma nicht verlagern müssen. Er stehe klar hinter einem klimaneutralen Gewerbegebiet Schraienwiesen und würde sich dort gerne ansiedeln mit der Zukunftstechnologie Wasserstoff. Das schaffe „Arbeitsplätze mit einer hohen Sinnhaftigkeit und leiste eine positiven Beitrag für die Gesellschaft“. Daneben wird momentan der Hauptsitz umgebaut und u.a. mit Fotovoltaikanlagen ausgestattet, damit sukzessive die gesamte Firma klimaneutral wird. Sein Ziel ist, dass „Urbach auch für künftige Generationen attraktiv und lebenswert bleibt“. Er lädt die Bürgerinitiative zum Austausch ein: „Wenn wir alle nein zur Zukunft sagen, dann wird es schwierig“.

IG Metall: Arbeit ist wichtig für die Psyche und das Wohlergehen der Menschen
Susanne Thomas von der IG Metall lockerte die Redebeiträge durch ein Gespräch mit Moderator Straub auf. Sie betonte die Bedeutung von sinnstiftender Arbeit für die Psyche und das Wohlergehen der Menschen. Sie sieht die Arbeitsplätze in der Region Stuttgart vor großen Herausforderung aufgrund der Transformation weg vom Verbrennermotor. Arbeitsplätze in Zukunftstechnologien wie der Wasserstoff-Technologie seien daher sehr wichtig. Starke Familienunternehmen wären das Rückgrat der Region. Diese sollten unterstützt werden, da sie oftmals krisenfester seien als manche Firmen mit ausländischen Großinvestoren, wie man es jetzt auch bei Allgaier aus Uhingen sieht. Wichtig sei auch, dass die Arbeitsplätze gut verteilt wären, um Pendelzeiten zu reduzieren. Nachhaltigkeit wäre der Dreiklang von Ökonomie, Ökologie und Sozialem – alle drei Dimensionen müssten betrachtet werden.

Ver­band Re­gi­on Stutt­gart: 80 Prozent der Berufstätigen verlassen täglich Urbach
Thomas Kiwitt vom Ver­band Re­gi­on Stutt­gart stellte fest, dass das Urbacher Gemarkungsgebiet nur 2,9 Prozent Gewerbe- und Industrieflächen aufweist, während 84 Prozent der Flächen Vegetation und Gewässer seien. Eine Zunahme der Gewerbeflächen durch die Schraienwiesen um 0,46 Prozent des Gemarkungsgebiets wäre sinnvoll zur Sicherung des Wohlstands und zum Erhalt der wohnortnahen Arbeitsplätze. „Rund 80 Prozent der Berufstätigen verlassen täglich Urbach und fahren durchschnittlich 2x 15 km pro Tag, also 30 km. Die Strecken werden zu 60 Prozent mit dem PKW zurückgelegt.“ Das führt nicht nur zu einem hohen Co2-Ausstoß, sondern kostet auch viel Lebenszeit, die dann nicht mehr für die Familie oder das Ehrenamt im Verein zur Verfügung stünde. Die Region Stuttgart habe landesweit den geringster Pro-Kopf Anteil an Siedlungs- und Verkehrsfläche. Zusammengefasst stellt er fest, dass ein „Kompromiss zwischen Bauen und Schützen immer erforderlich wäre und erfolgreich umgesetzt werden kann“. Er bot sich an, den Prozess zu begleiten.

Angeregte Diskussion mit vielen Wortbeiträgen
Im Anschluss an die Redebeiträge folgte eine muntere Diskussion, an der für die Bürgerinitiative zusätzlich Rudolf Wrobel teilnahm. Zur Frage aus dem Publikum zur Klimaneutralität erklärte Bürgermeisterin Fehrlen, dass bei Unternehmen das „Greenhouse Gas Protokoll“ als internationaler Standard für die Messung der Klimaneutralität gelten und unabhängige Institute dies überprüfen würden. Diese Skala könnte man auch für das Gewerbegebiet anwenden. Auch den Co2-Ausgleich des Tiefbaus stelle sie in den Raum. Herr Wrobel ergänzte, dass man auch die Treibhausgase, die durch die Grünfläche bereits heute gebunden werden, ausgleichen sollte. Im Bürgerdialog nach dem Bürgerentscheid werden die einzubeziehenden Dimensionen, die Zeitschienen und die Skalen für die Überprüfung unterstützt durch Experten erarbeitet, so Fehrlen. Die Bürgermeisterin bekannte sich auf Nachfrage zum Ziel der Nachverdichtung in den bestehenden Gewerbegebieten, bemerkte aber auch, dass bei Privatflächen der Gemeinde rechtlich die Hände gebunden wären. „Wir können nur das Gespräch suchen und Vorschläge unterbreiten“. Aus dem Publikum wurde festgestellt, dass bei der Mitgliederversammlung des Handels- und Gewerbevereins Urbachs eine Vielzahl der heimischen Handwerksbetriebe und mittelständigen Unternehmen einen Flächenbedarf geäußert hätten und gerne in Urbach bleiben würde. In einem Wortbeitrag wurde angemerkt, dass das Gras auf den Grünflächen aktuell für die Tierfuttererzeugung und für die Biogasanlage genutzt wird. Dazu informierte Herr Kiwitt, dass die Fotovoltaikanlagen auf der gleichen Fläche heutzutage 60x mehr Energie erzeugen würden als Biogas. Aus dem Publikum wurde angeregt, dass die notwendigen Ökopunkte für die Gebietsentwicklung durch die Verbesserung der Streuobstwiesen erzielt werden könnte.

Alle Beteiligten waren sich einig, dass die Bürgerschaft am 23. Juli 2023 ihre demokratischen Rechte zur Mitbestimmung nutzen und wählen gehen sollte. Auch die Briefwahl ist möglich. Abschließend bedankte sich der Moderator Rüdiger Straub bei den Teilnehmenden für die sachliche und wertschätzende Diskussion. Im Sinne der Informationsvermittlung und Transparenz wurde zum ersten Mal eine derartige Veranstaltung der Gemeinde Urbach live im Internet übertragen („gestreamt“). Rund 100 Geräte waren den Abend bis zum Schluss eingewählt. Da häufig mehrere Personen zusammen von einem Gerät (PC, Laptop, Handy, WLAN-fähiges TV-Gerät) sitzen, wird dieser Einstieg als Erfolg gewertet. Der Mitschnitt ist auf der Homepage unter www.urbach.de/buergerentscheid Unterpunkt Infoveranstaltung abrufbar.